Unsere Aktion unter dem Motto „Brücken statt Grenzen“, für die wir am zweiten Maiwochenende die Karolinenbrücke in Landsberg mit Luftballons und vielen kleinen Schildern sowie einigen Bannern geschmückt haben, hat Aufmerksamkeit erregt. Nicht zuletzt auch, weil unsere Installationen ganze dreimal von Unbekannten zerstört und entfernt worden waren.
Unser Ziel war, ein positives Zeichen in Landsberg zu setzen, zu zeigen, wie vielfältig unsere Themen sind und sie einmal ansprechend, gesammelt, pandemiekonform und bunt zu präsentieren. All unsere liebevoll gezeichneten kleinen Schilder bildeten Themen ab, die uns wichtig sind, und diese hängen wiederum mit dem Leitsatz von Landsbergbleibtbunt zusammen, der schon immer lautet: „gegen Faschismus – für mehr Menschlichkeit“.
Wie auch in der Vergangenheit haben wir an diesem Wochenende und darüber hinaus sehr viel Unterstützung von den Landsberger:innen erfahren. Viele haben sich für die Aktion bedankt und auch dafür, dass wir angesichts der Zerstörungswut Einzelner standhaft geblieben sind. An dieser Stelle: sehr gerne, vielen, vielen Dank für Euren Support.
Es gab auch Kritik. Jemand fand es beispielsweise unglücklich, dass die Aktion Müll produziert habe. Obwohl wir biologisch abbaubare Ballons verwendet haben, ist diese Kritik natürlich nachvollziehbar.
Auf Facebook, wo die Aktion ebenfalls eine überwältigende Zustimmung erfahren hat, war allerdings noch weitere Kritik zu lesen. Unsere Aktionen seien ja schön und gut, aber dass wir neben allen anderen Messages auch eine „Antifa-Flagge“ aufgehängt haben – das ginge zu weit.
Wir haben den Eindruck, hier besteht Klärungsbedarf.
Landsbergbleibtbunt ist von Grund auf, von Anfang an und durch und durch eine antifaschistische Initiative. Das dürfte niemanden verwundern. Viele von Euch kennen unser Logo mit dem daneben stehenden Leitsatz „Gegen Faschismus – für mehr Menschlichkeit“. Wir engagieren uns für und gegen ein breites Spektrum von Themen, doch dabei sind wir immer eines – antifaschistisch. Und so hat es uns im ersten Moment ein wenig verwundert, dass dieses – ja, deutlich präsentierte – Statement tatsächlich für Verwirrung sorgte. Wir identifizieren uns schließlich selbstverständlich mit Antifaschismus, es ist unser Kern. Aber der Reihe nach, es wird kompliziert.
Jede Person, die sich gegen Faschismus, also antifaschistisch engagiert, darf sich als Teil der Antifa begreifen, wenn sie möchte. Es gibt keine organisierte Antifa. Das ist kein Verein, es ist nicht mal eine Bewegung.
Ja, es gibt auch unter den Menschen, die sich als Antifaschist:innen begreifen, solche, die Gewalt nicht per se ablehnen. Das ist beispielsweise in Brennpunkten der Fall, in denen offene Kämpfe geführt werden zwischen gewaltbereiten Rechten und autonomen Linken.
Landsberg ist kein solcher Ort, und wir sind darüber sehr froh. Wir von Landsbergbleibtbunt sind nämlich alles andere als gewaltbereit.
Landsbergbleibtbunt distanziert sich von jeder Form der Gewalt. Wir stehen für ein friedliches, solidarisches Zusammenleben der Menschen.
Der mit Abstand größte Teil der Menschen, die sich unter dem Banner der antifaschistischen Aktion wiederfinden, identifiziert sich ebenfalls nicht mit linksextremer Gewalt.
Doch auch in Deutschland müssen wir uns leider mit der Gegenwart von Gewalt auseinandersetzen. Um nur einige aktuelle Taten zu nennen: Halle, Hanau, NSU, Mord an Walter Lübcke, diverse Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte. All dies sind Gewalttaten, die nachweislich aus dem rechtsextremen Milieu verübt worden sind – die Opfer sind beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund, Jüd:innen, Muslim:innen, Journalist:innen und Politiker:innen.
Anti-Faschismus stellt sich genau gegen solche Täter:innen und gegen die Ideologie, die dahinter steht und zeigt sich solidarisch mit denen, die davon betroffen sind. Deshalb gibt es auch unter Anti-Faschist:innen solche, die Gewalt mit Gewalt zu begegnen bereit sind. Das ist aber, und wir können nicht zu oft betonen wie froh wir darüber sind, in unserer kleinen beschaulichen Stadt Landsberg am schönen Lech kein Thema, mit dem wir uns konfrontiert sehen. Danke an Landsberg, lasst uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass dies für immer so bleibt.
Wir von Landsbergbleibtbunt stellen uns sichtbar gegen Strömungen, die dazu neigen, Menschen zu diskriminieren und auszuschließen. Wir setzen uns ein für eine offene Gesellschaft, in der jede:r ohne Angst leben darf, in der jede:r gesehen und respektiert wird. Diskriminierung und Marginalisierung gefährden Leben, und wir wollen es nicht im Ansatz dazu kommen lassen. Deshalb setzen wir auf Bewusstheit, Sichtbarmachen, Positionieren, Solidarität und hoffen auch weiterhin auf Eure breite Unterstützung.
An dieser Stelle müssen wir noch über die Hufeisentheorie sprechen, die Links- und Rechtsextremismus gleichzusetzen versucht. Häufig wird diese Theorie von einer angeblichen politischen Mitte (zu der sich, wie wir wissen, gerne auch die AfD zählen würde) bemüht. Nach dieser Theorie gäbe es eine politische Mitte, die „Gemäßigten“, Bürgerlichen, und alles, was rechts davon ist, sei rechtsextrem, alles links davon eben linksextrem. Und diese beiden Extreme seien gleichermaßen gefährlich und gleichermaßen zu verurteilen.
Dabei wird übergangen, dass diese in den 1980er Jahren entwickelte Theorie höchst umstritten ist. Zur Zeit des Kalten Krieges herrschte die Angst vor einem die Bundesrepublik bedrohenden Umsturz durch stalinistische Kräfte – von denen heute nicht mehr viel übrig ist. Dagegen sind im rechtsextremen Spektrum die Infragestellung der Demokratie und der Prinzipien der Verfassung heute nachweislich sehr verbreitet.
Linke Gewalt richtet sich in der Regel gegen Dinge. Im rechtsextremen Milieu richtet sich die Gewalt sehr oft gegen Menschen, oft gegen Minderheiten und Schutzlose.
Dadurch, dass die Hufeisentheorie beide „Seiten“ gleichsetzt, werden bedeutende Unterschiede ignoriert und Rechtsextremismus wird verharmlost. Der absurde Effekt ist, dass Faschismus und Anti-Faschismus dargestellt werden können wie zwei gleichsam gefährliche Extreme.
Die Theorie gilt heute als für die Wissenschaft unbrauchbar.
Übrigens: es ist uns natürlich nicht entgangen, dass „die Antifa“ in manchen Kreisen oftmals, und vielleicht auch zunehmend wie ein Schimpfwort benutzt wird. Es wird ein Bild gezeichnet von einer festen, organisierten Gruppe, die – es ist kaum zu glauben – für ihre Aktionen bezahlt würde. Hier betreten wir sehr fragwürdiges Terrain: durch die faschistische QAnon-Bewegung in den USA verbreitet sich beispielsweise die Behauptung, der Milliardär George Soros würde „die Antifa“ finanzieren. Die absurde Idee, „die Antifa“ würde auf einer „Gehaltsliste“ stehen, ist mittlerweile auch in Deutschland zu lesen, gerade in den bereits viel besprochenen Querdenker-Telegramkanälen und den dazugehörigen Plattformen. Diese Anschuldigung soll die Legitimation antifaschistischer Bewegungen untergraben, was sich zum Beispiel beim Blick auf den Sturm auf das Kapitol zeigt: als deutlich wurde, dass hier ein wütender, außer Rand und Band geratener Mob zutiefst demokratiefeindlich und mit roher Gewalt agiert hatte, war plötzlich aus den eigenen Reihen zu vernehmen, dass sei „die Antifa“ gewesen. Nachweislich bestand dieser Mob aus einer Blase von Trump-Anhänger:innen und Rechtsextremen, Verschwörungsideolog:innen, QAnon-Anhänger:innen und so weiter. Doch der „Sturm“ wurde in der Bevölkerung nicht wie erwartet beklatscht, im Gegenteil, plötzlich wollte es niemand mehr gewesen sein. Und so wurde mit der Behauptung von Rechts, „die bezahlte Antifa“ sei’s gewesen, erstens versucht, von sich selbst abzulenken, und zweitens, eine Bewegung, die (zurecht) als Feindin der eigenen rechtsextremen Strömung gilt, medienwirksam weiter diskreditiert. Bei vielen Menschen kam dann nur noch an: Antifa, da war doch irgendwas Komisches.
Doch genau diese Tatsache – dass Antifaschismus immer wieder absichtlich und unabsichtlich verzerrt, gar als gefährlich dargestellt wird, obwohl Anti-Faschismus bedeutet, sich schützend vor die Opfer von faschistischer Gewalt zu stellen und sich stabil zu zeigen gegen gesellschaftlich gefährdende Kräfte, ja letztendlich zutiefst demokratische Werte zu schützen sucht – war für uns die Motivation, uns sichtbar zu positionieren. Es war unser Anliegen, die antifaschistische Flagge aus der „Schmuddelecke“ zu holen, in die sie oft ungerechtfertigterweise gesteckt wird. Und klar zu machen, was eigentlich schon klar ist – dass wir, ein bunter Haufen von Menschen, die sich laut und deutlich zu Demokratie, Menschlichkeit und Gewaltfreiheit bekennen, die mitten im Leben stehen, Familie und unterschiedliche Berufe haben, Träume haben und eine Verbindung zu dieser schönen kleinen Stadt – dass wir ganz selbstverständlich Antifaschistinnen sind.
Unsere (jetzt verbrannte) Flagge mit der Aufschrift „antifaschistische Aktion“ sollte ein Zeichen sein für Solidarität unter den Menschen: nichts anderes als ein Bekenntnis gegen Faschismus. Nichts anderes bedeutet diese für uns, und dazu stehen wir natürlich weiterhin.
https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/200097/debatte-extremismustheorie