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Wie viele andere Landsberger:innen haben auch wir von Landsbergbleibtbunt nun einige Zeit ungläubig mit angesehen, wie sich Woche für Woche immer mehr Verwirrte in der Innenstadt zu unangemeldeten Demonstrationen versammelt haben. Noch vor der ersten dieser geplanten Versammlungen lasen wir in den einschlägigen Planungsgruppen bei Telegram mit, man werde die Demonstration als „Spaziergang“ deklarieren, um die Anmeldepflicht zu umgehen. Wir waren uns damals noch ziemlich sicher, dass dieser billige Trick zu billig ist. Dass spätestens bei der zweiten Versammlung durchgegriffen würde, da es sich mehr als offensichtlich nicht um spontane Zusammenkünfte handelt.
Wie wir wissen, haben wir uns da getäuscht – wie auch alle anderen, die darauf vertrauen wollten, dass die zuständigen Behörden ihre Pflichten erfüllen würden.
Ein „Spaziergang“ nach dem anderen wurde toleriert, bis vergangene Woche über 1000 Verwirrte, Ungeimpfte, Maskenlose, Esoterikschwurbler:innen, Verängstigte und Abgehängte durch die Innenstadt zogen – darunter der Heilpraktiker Rolf „Es ist mir egal ob ihr eure Frauen schlagt oder Nazikreuze malt“ Kron sowie Vertreter der rechtsradikalen Gruppierung „der III. Weg“.
Wir von Landsbergbleibtbunt wurden mehrfach kontaktiert, von Bürger:innen, die sich ebenso wie wir von den zuständigen Instanzen allein gelassen fühlten. Angesichts der Vielzahl der Querdenker:innen und Konsorten und der Aussage der Polizei, man werde auch die nächste Veranstaltung tolerieren, war uns klar: wir werden uns kommenden Montag dagegen stellen.
Geplant war eine Sitzblockade, die bis zum „Spaziergang“ nicht öffentlich werden sollte. Denn eine unangemeldete Demonstration kann ja auch einfach die Route wechseln, wenn sie ein Hindernis erwartet. Wir dagegen waren bestrebt, unsere Aktion ordnungsgemäß anzumelden, da unsere Erfahrung zeigt, dass die Toleranz gegenüber uns deutlich geringer ausfallen könnte, wenn wir uns „spontan“ versammeln.
Dementsprechend wollten wir die Versammlung anmelden und wurden daraufhin zum Gespräch gebeten. Dieses fand heute statt. Anwesend waren die stellvertretende Landrätin und Vertreter des LRA und der Polizei.
Das Ergebnis des Gespräches ist, dass unsere Sitzblockade – die wir allen Regeln entsprechend, wie gesagt, anmelden wollten – gelinde gesagt schwierig wird. Die Begründung: wir würden damit eine zu große Aufstauung verursachen, und es gäbe zu wenige Polizist:innen, um uns in so einem Fall zu schützen. Man habe Angst vor einer Eskalation.
Unsere Blockade wurde zwar nicht „verboten“. Von Seiten der Polizei wurden wir aber gewarnt, dass, sollten wir (auch angemeldet) auftauchen, unsere Versammlung sofort aufgelöst würde– um „den Frieden zu wahren“, da man unseren Schutz anders nicht garantieren könne.
Aber – warum gäbe es zu wenige Polizist:innen? Weil die Polizei die Gefahrenlage für kommenden Montag mit „0“ deklariert hat. Deshalb sei es nicht möglich, mehr Einsatzkräfte anzufordern, und die Polizei wird wie auch die vergangenen Male mit sechs (!) Kräften vertreten sein.
Nochmal: für unsere ordnungsgemäß angemeldete Versammlung wird schon im Voraus die Auflösung angekündigt, weil die Gefahr einer Eskalation besteht – aus den Reihen der unangemeldeten „Spaziergänger“. Welche allerdings polizeilich als völlig ungefährlich eingestuft wurden (kann man das etwa nicht revidieren?). Weshalb zu wenig Einsatzkräfte vor Ort sind. Was wiederum der Grund für die Auflösung unserer Versammlung ist. Was dazu führt, dass die erneut unangemeldete Demonstration der Coronaleugner:innen/Rechten/Verschwörungsgläubigen/Pseudo-Spirituellen/Verwirrten auch kommenden Montag ungestört und ganz in Ruhe durch Landsberg ziehen können, eskortiert von sechs Polizist:innen, toleriert vom Landratsamt.
Ihr könnt euch vorstellen, dass wir uns erstens (entschuldigt, aber das ist das einzig richtige Wort) verarscht fühlen, weil die Argumentation jeder Logik entbehrt. Und dass wir uns auch sehr dumm vorkommen, weil wir immer bestrebt sind, uns an die in unserer Stadtgesellschaft herrschenden Regeln zu halten. Was haben wir nun davon? Einen Schlag ins Gesicht für alle, die sich hilflos gegenüber der Masse an ungeimpften Coronaleugner:innen/Rechten/Verschwörungsgläubigen/Pseudo-Spirituellen/Verwirrten gegenüber sehen.
Trotz all der Unannehmlichkeiten, der Einschränkungen und Einbußen sind wir zugunsten unserer Mitmenschen geduldig und solidarisch. Stecken wir unsere Befindlichkeiten zurück, damit wir irgendwann ein Licht am Ende des Tunnels sehen. Damit nicht noch mehr Menschen sterben, nicht noch mehr Kinder erkranken. Gleichzeitig sehen und lesen wir, wie andernorts bei derselben Art von „Spaziergängen“ mit Fackeln gegen Politiker:innen vorgegangen wird. Wie sich Rechtsradikale offen in deren Mitte zeigen. Wir lesen, dass in Telegram-Gruppen derselben Kreise zu Anschlägen auf Politiker:innen aufgerufen wird.
In diesen Zeiten verhindern die Behörden in Landsberg, dass das immer friedlich gebliebene Bündnis „Landsbergbleibtbunt“ sich diesem unangenehmen und für viele unerträglichen Ereignis friedlich, aber bestimmt entgegen stellen kann. Es wird dafür gesorgt, dass erneut tausend(e?) Impfgegner:innen hier im Herzen von Landsberg eine verlässliche Bühne finden. Während sich andernorts viele Gemeinden gegen Veranstaltungen dieser Art stellen und sie zu verhindern wissen, lädt Landsberg im Gegensatz dazu fast schon hierher ein. Die über 1000 Teilnehmer:innen sind bei Weitem nicht alle von hier, sondern reisen aus diesem Grund vielfach extra an. Gefällt sich Landsberg am Lech in der Rolle eines beliebten Schwurbeltourismusmagneten?
Wie kann das sein?
Ist es überhaupt im Interesse von Landratsamt und Polizei diesem Treiben etwas entgegenzusetzen? Es wirkt ganz klar nicht so. Wir sind entsetzt und enttäuscht.
Update am Abend:
Wir haben zwischenzeitlich eine andere Protestaktion angemeldet. Bei dieser haben wir sehr darauf geachtet, dass wir Abstände untereinander und zu Passanten einhalten können, das Tragen von FFP2 Masken haben wir auch in dem Antrag mit aufgeführt. Wir haben eingelenkt, dass wir den „Spaziergang“ nicht blockieren werden und uns nur am Straßenrand positionieren. Auch dieser Protest wurde uns telefonisch in dieser Form nicht genehmigt, mit Verweis auf den Infektionsschutz. Was für eine Farce!
In einer Landsberger Querdenkergruppe schreibt die Initiatorin der Kerzenaktion an einem der vergangenen Wochenenden unterdessen folgendes:
„Wir sind schon ein besonderes Völkchen hier: Ich habe bisher mit Landratsamt und Polizei nur gute Erfahrungen gemacht. Vor allem sind sie stets freundlich und versuchen zu helfen. 👍
Unsere erste Kerzenaktion hat nur stattfinden können, weil der zuständige Bearbeiter im Landratsamt alle Hühneraugen in Sachen Anmeldefrist zugedrückt hat – die hatte ich nämlich verpasst, aber er hat die Veranstaltung trotzdem genehmigt. 🙏
Für den Flyer zur zweiten Kerzenaktion hätten wir auch Ärger bekommen können, weil wir kein Impressum draufhatten. Die Polizei hat mir das eher kollegial mitgeteilt, als wäre sie sicher, dass es an meinem Greenhorn-Status lag und keine Absicht war. 💌
Ich würde mal sagen, wir haben richtig Glück hier, das sind echte Menschen in unserem Landratsamt und bei unserer Polizei. ♥️